Ein Jahr nach der Cannabis-Legalisierung kämpfen nicht nur Berliner Anbauvereine, sondern auch Cannabis Social Clubs (CSC) in Thüringen mit massiven bürokratischen Hürden und ungleichen Rahmenbedingungen. Während Konsumenten in anderen Ländern oder über Online-Anbieter ihr legales Cannabis oft innerhalb von 60 Minuten erhalten, warten viele Mitglieder in Berlin und Thüringen noch immer auf die erste Ernte aus ihrem Club. In Berlin konnte bislang nur ein einziger Verein tatsächlich Cannabis an seine Mitglieder verteilen – und das trotz großer Nachfrage und intensiver Vorbereitung. In Thüringen verfügen bereits 5 Vereine eine Anbaulizenz.
Genehmigungen und Auflagen: Ein zäher Start für die Clubs
Nach dem Start für nicht-kommerzielle Anbaugemeinschaften haben in Berlin sieben CSCs eine Anbaugenehmigung erhalten, wie das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) am 12. Juni mitteilte. Geerntet werden soll in mehreren Bezirken, während ein weiterer Berliner CSC in Brandenburg produzieren will. Über weitere 18 Anträge muss noch entschieden werden. Auch in Thüringen warten noch Anbauvereinigungen auf Genehmigungen oder kämpfen mit langwierigen Auflagen und Abstimmungsprozessen mit den Behörden.
Großes Interesse, aber schleppende Umsetzung
Das Interesse an den Clubs ist riesig – sowohl in Berlin als auch in Thüringen. Doch durch die schleppende Umsetzung und die langen Wartelisten wenden sich viele Interessenten inzwischen bequemeren und schnelleren Beschaffungswegen über das Internet zu. Die Gefahr besteht, dass die Clubs schon ein Auslaufmodell werden, bevor sie richtig starten konnten.
Vorbereitung und Realität: Clubs zwischen Hoffnung und Bürokratie
Clubs wie die Green Leaf Society aus Marzahn haben sich jahrelang auf die Teillegalisierung vorbereitet. Ihr Verein konnte als erster in der Hauptstadt Ernten an seine Mitglieder verteilen. Andere Vereine, auch in Thüringen, müssen trotz Genehmigung noch zahlreiche Auflagen abarbeiten, bevor sie tatsächlich Cannabis abgeben dürfen. Oft geht es um baurechtliche Fragen, Sicherheitsauflagen oder detaillierte Nachweise, ob Mitglieder in mehr als einem Club beigetreten sind. Während in Teilen Brandenburgs ein kurzes Telefonat für eine Genehmigung reicht, müssen Vereine in Berlin und Thüringen umfangreiche Unterlagen einreichen und sich immer wieder rechtfertigen.
Unverhältnismäßigkeit bei Vermehrungsmaterial: Vereine vs. Handel
Ein besonders absurdes Beispiel für die Unverhältnismäßigkeit der Regulierung zeigt sich beim Thema Vermehrungsmaterial: Anbauvereinigungen sind gesetzlich verpflichtet, die Abgabe von Samen pro Person und Monat streng auf 7 zu beschränken und zu dokumentieren während der Versand gänzlich untersagt ist. Gleichzeitig kann jeder im Gartenbaumarkt oder online beliebig viele Cannabissamen kaufen – völlig unkontrolliert, unbeschränkt und ohne Nachweis. Diese Ungleichbehandlung zwischen stationärem Handel und Vereinen erschwert nicht nur die Arbeit der Clubs, sondern untergräbt auch das Ziel, den Schwarzmarkt durch legale, transparente Strukturen zurückzudrängen.

Wirtschaftlicher Druck und ungleiche Marktbedingungen
Auch wirtschaftlich stehen die Vereine unter Druck: Miete, Energie, Sicherheit, Versicherungen, Verwaltung, Qualitätssicherung und Betriebsmittel treiben die Produktionskosten in die Höhe. Während Telemedizin-Anbieter in Berlin mit Plakaten werben und Cannabis auf E-Rezept innerhalb einer Stunde liefern, müssen Anbauvereinigungen unter strengsten Auflagen und mit Kommunikationsverboten arbeiten. Die Clubs fordern keine Sonderrechte, sondern Verhältnismäßigkeit und faire Rahmenbedingungen.
Der Schwarzmarkt und die Rolle der Clubs
Der Boom beim medizinischen Cannabis auf E-Rezept zeigt, wie groß der Markt ist: Im vergangenen Jahr wurden über 40 Tonnen Cannabis zusätzlich importiert, vor allem aus Kanada. Online-Anbieter werben mit schnellen, unkomplizierten Rezepten und einer riesigen Sortenauswahl – zu Preisen, die mit dem Schwarzmarkt konkurrieren können. Währenddessen warten viele Anbauvereinigungen in Berlin und Thüringen weiter auf die Chance, ihre Mitglieder legal und sicher zu versorgen.
Fehlende Zahlungsoptionen: Bargeldpflicht als Hemmschuh für Anbauvereinigungen
Ein weiteres gravierendes Problem für Anbauvereinigungen in Berlin, Thüringen und bundesweit ist die Abwicklung von Zahlungen. Während in anderen Branchen Kartenzahlung längst Standard ist, verweigern viele Banken und Zahlungsdienstleister wie Sumup den Cannabis-Clubs die Zusammenarbeit. Dadurch ist es den Vereinen nicht möglich, Zahlungen einfach und transparent per Geldkarte oder Kartenterminal abzuwickeln. Die Mitglieder sind gezwungen, ihre Beiträge und Abnahmen in bar oder umständlich per Vorabüberweisung zu bezahlen. Das erschwert nicht nur die Buchhaltung und erhöht den Verwaltungsaufwand, sondern sorgt auch für einen unnötigen „illegalen Touch“. Aus Sicht der Behörden bleibt so Grund zum Verdacht auf Schwarzgeld oder illegale Geschäfte bestehen – völlig zu Unrecht, denn die Anbauvereinigungen arbeiten transparent und gesetzeskonform. Die Clubs fordern daher dringend faire und zeitgemäße Zahlungsoptionen, um ihren Beitrag zur Legalisierung und zur Eindämmung des Schwarzmarkts glaubwürdig leisten zu können.
Was sich ändern muss: Für eine faire und funktionierende Cannabis-Kultur
Hanfaktivisten und Branchenvertreter sind sich einig: Es fehlen faire Bedingungen für die Anbauvereine. Nur so kann der Schwarzmarkt wirklich zurückgedrängt werden. Die Motivation hinter den Clubs ist eine andere als bei kommerziellen Anbietern – hier geht es um Gemeinschaft, Qualität ohne Überzüchtung und industrielle Verarbeitung, Eigenversorgung und Transparenz. Doch solange die Bürokratie und die ungleichen Regeln zwischen Handel und Vereinen bestehen, bleibt der Weg zu einer funktionierenden, legalen Cannabis-Kultur in Deutschland steinig – in Berlin, in Thüringen und bundesweit.
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